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Beetle RoadTrip: Der lange Weg eines VW Käfers von Flagstaff nach München

Für viele ist es ein lange gehegter Traum, einen Oldtimer aus den USA zu importieren. Wenn der Dollarkurs günstig ist und man ein entsprechendes Fahrzeug findet, ein durchaus realistisches Vorhaben. Und noch besser: Warum vor der Verschiffung nicht gleich noch einen Roadtrip mit dem neuen Alten in Angriff nehmen? Dabei kann man das Auto kennenlernen, eventuelle Schwachpunkte lokalisieren, sich die Kosten für einen Mietwagen sparen und am allerbesten: Eine unvergleichbare, einmalige Reise im eigenen Fahrzeug erleben. Im April machte ich mich mit meinem besten Kumpel auf den Weg, einen deutschen Klassiker aus den Staaten wieder nach Hause zu holen. Mit einem der letzten „Superbeetle“ Cabrios erlebten wir den Kurztrip unseres Lebens...

 

Im Sommer davor fing alles an: Felix ruft mich nach einem Familienurlaub im Westen der USA an. „Ich glaube, ich habe mich verliebt!“ Er mailt mir Bilder einer rundlichen, 34-jährigen Schönheit, fotografiert auf einem Walmart-Parkplatz in Flagstaff, Arizona. Felix ist seit ich denken kann in diese Rundungen vernarrt: Er ist Käfer-Liebhaber und steht darüber hinaus auf so ziemlich alles, was die Autostadt Wolfsburg jemals hervorgebracht hat. Und so ist es kein Wunder, dass er von einem VW Käfer mit „For Sale“-Schild im Fenster spricht. Noch dazu, weil es ein 1303er Cabrio ist, ohne sichtbare Mängel, mit nur einem Auspuffrohr – also ein Einspritzer, so wie er in den USA angeboten wurde. In den kommenden Monaten lässt Felix der Gedanke nicht los. Er fordert weitere Bilder an, mailt mit der Verkäuferin hin und her. Und dann nagelt er mich fest: „Ich kaufe ihn. Und Du kommst mit.“ Ich muss nicht lange überlegen, habe aber eine Bedingung: Hin, holen und zurück reicht nicht. Ich will damit fahren. Da die Verschiffung nach good old Germany von Los Angeles aus von statten gehen soll, planen wir eine kleine Rundreise durch den Westen der USA: Route 66, Las Vegas, Lake Tahoe, San Francisco, Los Angeles. Wir haben 9 Tage Zeit.

Am 5. April stehen wir endlich am Flughafen in München, rund 14 Stunden später sind wir im sonnigen Südkalifornien angekommen. Die ersten 590 Meilen bis Flagstaff erledigen wir mit einem gemieteten Ford Mustang Cabrio. Wir senken das elektrische Dach, lassen den Bass der Anlage hämmern, kuscheln uns in die Ledersitze und stellen den Tempomat auf 70 Meilen die Stunde. Wir halten nur zum Tanken, einen Snack und für ein paar stylische alte Tankstellen, die zwischen den 1940er und 60er Jahren im „Googie“-Stil erbaut wurden und vor allem in L.A. und Palm Springs zu finden sind. Die an die Flintstones oder frühere Zukunftsvisionen erinnernden Gebäude wären eine ideale Fotokulisse für unseren Käfer, doch der steht immer noch in Flagstaff. Unsere Aufregung steigt. Ist er wirklich so fit, technisch ok und fähig, unsere geplante, knapp 2.300 Meilen lange Tour zu überstehen? Spät am Abend reiten wir auf unserem schwarzen Mustang in der kleinen Stadt in Arizona ein. Noch einmal schlafen...

Der nächste Morgen in Flagstaff. Dank Jetlag sind wir viel zu früh wach. Um 9 Uhr macht der Versicherungsmakler auf, den uns die Verkäuferin des Käfers, Dana, vermittelt hat. Eine temporäre Versicherung für ein Exportauto ist das Kniffligste, was der Autokauf in USA mit sich bringt. Hat man keine Beziehungen, in unserem Fall die Verkäuferin der VWs, deren Versicherungsmakler auch noch ein guter Freund ihres Sohnes ist, dann kann bereits hier das Abenteuer Autokauf zum Behördenmarathon werden oder scheitern. Glücklicherweise konnten wir Dana überreden, ein gutes Wort für uns einzulegen. Als wir Travis kurz darauf in seinem Versicherungsbüro besuchen, bestätigt er uns diesen Sachverhalt. Der Aufwand ist den meisten zu groß für ein paar Tage Versicherung. Zwar muss man erst einmal ein Viertel- oder Halbjahr vorausbezahlen, aber nach der Kündigung bekommt man den Rest wieder per Scheck zurück. Und die Courtage für den Makler ist verschwindend gering. Aber wir haben den begehrten Zettel und fahren zum vereinbarten Treffpunkt mit Dana. Als Felix gerade in der Bank Reiseschecks zu Bargeld macht, kommt sie mit dem Käfer auf den Parkplatz gefahren. Geldübergabe, Kaufvertrag (als „Notar“ fungiert die Bankangestellte), raus zum Fahrzeug. Baujahr 1978. 1303. Silber mit schwarzem Verdeck. Alles sieht gut aus. Er startet, läuft ruhig und sauber. Die erste Überraschung: Keine Dreipunkt-, sondern nur Beckengurte. Und die zweite: Kein Schlüssel für die Türen. „Hier muss man keine Angst haben“, sagt Dana. „Und bevor sie mir das Verdeck aufschlitzen, ist es besser, die Diebe kommen ohne alles kaputt zu machen ins Auto.“ Aber wir fahren nach Las Vegas, San Francisco, Los Angeles... vielleicht nicht ganz so sichere Orte. Wir werden sehen. Bevor es losgehen kann, müssen wir das Auto zulassen. Mit allen nötigen Papieren in der Hand ziehen wir in der Zulassungsstelle eine Nummer und warten neben Cowboys und aufgeregten Fahranfängern mit bunten Smartphones in der Hand darauf, aufgerufen zu werden. Es dauert nicht lange. Versicherungspapiere, Führerschein – und schon bekommen wir ein Stück Papier, das bis L.A. als Nummernschild dienen wird. Felix hat den Title, das neue Fahrzeugpapier, in der Tasche. Wir kleben das temporäre Nummernschild ans Heck des Käfers. Jetzt müssen wir nur noch den Mietwagen zurückgeben. Power, Platz und alle erdenklichen elektrischen Hilfsmittelchen adé, jetzt wird es spartanisch. Überraschend ist, dass der Käfer all unser Gepäck schluckt. Zwar nutzen wir auch die hinteren Sitze, aber unter die Fronthaube passt mehr als erwartet. Nachdem wir den Mustang am Flughafen von Flagstaff abgegeben haben, geht es zum ersten Tankstopp mit dem VW, dann begeben wir uns Richtung Landstraße. Nicht irgendeine, sondern die Route 66. Es ist die erste Prüfung für den Käfer, über den wir noch so gut wie nichts wissen, außer dass er Ende 1978 in Osnabrück bei Karmann für den Verkauf in den USA gebaut wurde. Ein Super Beetle Convertible mit 1,6 l L-Jetronic Benzineinspritzung, 37 kW/50 PS mit US-Abgasüberwachung, Farbe Diamantsilber-Metallic, innen Kunstleder schwarz. Alles weitere müssen wir erst selbst in Erfahrung bringen.

Der Käfer läuft. Das Klackern des Boxermotors mit dem leisen Pfeifen in der zweiten Stimme ist gleichmäßig, und auch sonst fällt uns auf den ersten Meilen bis zur Route 66 nichts auf. Felix ist begeistert, ich schließe mich aus Unwissenheit über Käfer vertrauensvoll an. Zahlreiche Schilder weisen uns den Weg zur „Mother Road“. Endlich verlassen wir die Interstate und fühlen uns sofort in der Zeit zurückversetzt. Auf dieser Straße wurden amerikanische Geschichte und Geschichten geschrieben. Vom einstigen Trubel auf der einstigen Hauptverbindung zwischen Chicago und Pazifik ist nicht mehr viel übriggeblieben, dafür gibt es, nachdem die Route 66 lange Zeit vernachlässigt und sogar vergessen wurde, nun wieder viele Läden, Museen, Tankstellen, Restaurants und Motels, die sich mit den zwei magischen Zahlen schmücken. Attraktiver als die Souvenirshops und Co. erscheinen uns die vermeintlichen Geisterstädte am Straßenrand. Neben Krempel, Rost und Ruinen sind es vor allem alte Originalschilder und Autowracks, die uns magisch anziehen. So auch in Hackberry. Der alte General Store am Rande der ehemaligen Minenstadt von 1874 bietet neben einem kühlen Drink auch einiges an alten Fahrzeugen und Memorabilia, die an die Anfangszeiten der Route 66 (ab 1926) erinnern. Felix hat gehört, dass Hackberry für den Pixar-Film „Cars“ Pate stand, und wir bilden uns ein, Details aus dem Film zu erkennen: Der Abschleppwagen, die in Reihe aufgestellten Oldtimer, die Mondlandschaft ringsum... Der kleine Ort ist auf den 69 Meilen der Route 66 zwischen Seligman und Kingman ein Highlight, wir streichen ihn rot im Fahrtenbuch an. Im Gegensatz zu Hackberry, das nach dem Bau der Interstate 40 mehr oder weniger von der Landkarte verschwand, erfreut sich Kingman direkt an der Autobahn reger Betriebsamkeit. Wir verlassen die Nebenstrecke und biegen Richtung Süden ab. Durch karge Wüstenlandschaft geht es etwa eine Stunde bis Lake Havasu City an der Grenze zwischen Arizona und Kalifornien, beliebter Schauplatz für Spring Break-Partys der Studenten der Westküsten-Unis. Die Bar des London Bridge Resorts ist noch entsprechend geschmückt, am Pool steht eine Bühne und an der Rezeption drückt man uns mit dem Zimmerschlüssel auch ein Armband in die Hand, das uns den Eintritt auf jede Party garantieren soll. Ob unseres sichtlich nicht-studentischen Alters fühlen wir uns geschmeichelt, doch wir merken schnell, dass die Partytime hier bereits beendet ist. Egal, deswegen sind wir auch nicht hier. Für die erste Nacht fiel die Wahl auf Havasu, da bei Autoproblemen L.A. von hier aus nicht weit gewesen wäre. Doch der Käfer hat den ersten Tag ohne Zwischenfälle überstanden. Ab morgen geht es Richtung Norden und damit immer weiter weg vom „rettenden“ Hafen.

Bei 20 Grad und Sonne sind wir beim Frühstück mit Blick auf die ursprünglich aus dem Jahr 1831 stammende und partiell mit Originalteilen hier am Rand der Mojave-Wüste rekonstruierte London Bridge guter Dinge, was unsere Routenplanung und den Käfer angeht. Als Felix den Motor starten will, gibt der 1303er keinen Mucks von sich. „Das ist manchmal so nach langen Fahrten, keine Panik“, beruhigt er mich und grinst: „Du musst anschieben!“ Die kurze Frühsporteinlage lohnt sich. Zündung an, schieben, Kupplung im Zweiten kommen lassen und schon sind wir wieder auf Kurs – Richtung Norden und Las Vegas. Wir fahren zur I-95, einem Highway, der von Mexiko im Süden bis an die kanadische Grenze im Norden führt. Auf halber Strecke biegen wir nach Osten ab, denn in den Bergen soll eine Geisterstadt liegen, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. Unser Tank meldet sich. Mit einem Inhalt von 41 und einem Durchschnittverbrauch von 10 Litern sollte man vor allem in der Wüste etwas aufmerksamer sein. Egal, wir riskieren es. Mit der Nadel im roten Bereich kämpft sich der Käfer den Berg hinauf. Wir sind nervös, hoffen auf Gefälle und die unwahrscheinliche Tatsache, dass in Nelson eine Tankstelle ist. Das Gefälle kommt, wir lassen das Auto rollen und sehen in einem Tal über dem Colorado River endlich den Ort unter uns liegen. Auch eine Zapfsäule finden wir, allerdings ist die nur noch Deko, so wie die vielen Autoleichen, ein kaputtes Flugzeug, viel Krimskrams und die Überreste von Häusern und einer Goldmine. 1775 fanden Spanier erstmals hier im El Dorado Canyon das begehrte Edelmetall. 100 Jahre später übernahmen Siedler im Goldrausch den Ort und betrieben die Techatticup-Mine, die damals allen Goldsuchenden ein Begriff war. Wo heute Touristen Fotos machen und romantische Gedanken an den Wilden Westen haben, stand früher ein Ort, in dem viel wegen Claims, Gold und Geld gestritten, ja getötet wurde. Die Mine war zwischen 1858 und 1945 außerordentlich ergiebig, dann war Schluss. Wir wandern durch die Ruinen und das, was für die Touristen wie Überreste aussehen soll, etwa so wie die Flugzeugabsturzstelle inklusive Wrack, das 2001 für die Dreharbeiten zum Film „3000 Miles to Graceland“ mit Kurt Russell und Kevin Costner hier drapiert wurde. Auch unser Käfer findet Anschluss. Drei alte VWs unterschiedlicher Jahrgänge stehen brav nebeneinander, als warteten sie auf ihre Besitzer, die gerade im Saloon ein Bierchen kippen. In einer Scheune weiter hinten finden wir einen alten T2 Westfalia, der noch gut in Schuss zu sein scheint. Wer alte Autos sucht, wird hier an jedem Eck fündig. In unserer Begeisterung über das Freiluftmuseum von Nelson vergessen wir fast, dass uns der Sprit ausgeht. Wir müssen zurück zur I-95 und können nur hoffen, dass Richtung Norden bald eine Tränke auf unsere silberne Lady wartet. Mit zärtlichem Gasfuß navigiert uns Felix bis zum Pass hinauf, dann geht es wieder bergab. Mit der Tanknadel am Anschlag biegen wir auf den Highway ein und sehen außer Wüste erst einmal nicht viel. Es dauert 15 Minuten, bis hinter einer Kurve und im Schatten eines Berges das rettende Schild auftaucht. Frisch versorgt und ziemlich erleichtert reihen wir uns in den nun stärker werdenden Verkehr ein. Hinter der nächsten Anhöhe hat uns die Zivilisation endgültig wieder: In der Mitte eines riesigen Wüstenkessels, umgeben von Bergen, liegt sie, die „Stadt der Sünde“, Las Vegas.

Die größte Sünde, die heute in Sin City passiert, ist wohl, dass Rentnern, verzweifelten Glücksrittern und Touristen mit Ankündigung das Geld aus der Tasche gezogen wird. Da uns die Casinos nicht interessieren, checken wir in einem der wenigen Hotels ohne Spielautomaten, das wir im Netz finden konnten, ein. Das Artisan ist ein Boutique Hotel, eingeklemmt zwischen Highway und Industriegebiet. Falsche Säulen, Bentleys und andere dicke Limousinen vor der Tür, Palmen entlang der Auffahrt. Der Parkservice scheint Freude daran zu haben, zur Abwechslung mal einen Käfer entgegenzunehmen. Die Lobby erschlägt uns mit zahllosen Kunst- und Dekogegenständen. Die zu jeder Tageszeit herrschende Dunkelheit kaschiert, dass hier weder Kunst noch Qualität an den Wänden hängt, doch das Entrée ist dennoch ein Erlebnis. An der Rezeption erfahren wir, dass es einen Pool gibt, zu dem man erst ab 18 Jahren Zutritt hat, da man nicht zwingend Klamotten tragen muss, und dass nächste Woche eine Pornosternchenparty in Bar steigt. Anscheinend gibt es Sin City doch noch. Nachdem wir uns vergewissern, dass das Zimmer ebenso kitschig aussieht wie die Lobby, fahren wir mit einem Taxi zum „Strip“. Es ist ein Dienstag im April, der Las Vegas Boulevard ist vollgepackt mit Menschen. Wir suchen etwas zu essen, geraten dabei in Jimmy Buffett’s Margaritaville in eine Bühnenshow mit Publikumsintegration. Danach laufen wir den Strip entlang, stoppen in Paris, New York und Venedig, besuchen Cosmopolitan und Sphinx und trinken ein Bier vor Cäsars Palast. Das omnipräsente Klingeln der Spielautomaten, die vielen Lautsprecherstimmen, Millionen von Lichtern, Polizeisirenen und 8 Dollar für eine Flasche Bier überfordern uns. Auf dem Heimweg taufen wir spontan den Käfer. Ab sofort heißt er „Shady Lady“. Dass er eine Lady ist, darüber waren wir uns von Anfang an einig. Aber warum anrüchig? Es muss an Sin City liegen. Oder unserem Hotel, wer weiß. Zurück auf dem Zimmer steht eine Flasche Schampus auf dem Tisch. Im Zimmerpreis inbegriffen. Jetzt könnten wir Shady Lady auch noch standesgemäß taufen. Von Lichtern und Geräuschen überwältigt fallen wir erschöpft in die Betten, sehnen uns wieder nach der Stille der Wüste.

Zum Frühstück fahren wir ins nahe gelegene Stratosphere Casino in einen typisch amerikanischen Diner. Die Stadt sieht tagsüber ernüchternd kahl aus. Nach Pfannkuchen, Eiern und einigen Kaffee-Refills fahren wir den Strip entlang zum Highway. Als wir für ein Abschiedsfoto halten, nähern sich zwei Showgirls. Die beiden machen sich gut neben Shady Lady und haben sichtlich Spaß daran, mal mit einem Auto statt für ein paar Dollar mit Touristen fotografiert zu werden. Sie finden den Käfer „cute“ und „adorable“, die eine attestiert ihr Interesse an einem derartigen Wagen, die andere weiß, dass ihr Daddy auch mal so einen hatte. Aber das war vor ihrer Geburt. Zum ersten Mal spüren wir die Sympathien, die ein altes Käfer Cabrio bei den Menschen weckt. Unsere nächste Etappe ist die längste der gesamten Tour. Einmal durch die Wüste Nevadas bis zum Lake Tahoe. Wir tanken voll, lassen Vegas hinter uns, passieren Wegweiser zu einem Skigebiet inmitten der kargen Wüstenlandschaft, folgen einem langen Zaun, der die geheimnisvolle Area 51 vor neugierigen Besuchern schützt, fahren an Militärbunkern vorbei, kommen durch weitere verlassen Städte und bemerken, dass es sich bei einer Mehrheit der hier stehenden Gebäude um Freudenhäuser handelt. Schmucklose Schilder laden ein, ein paar Meilen durchs Nichts bis zur Love Ranch oder dem Alien Cathouse zu fahren. In Nevada wird – bis auf Las Vegas und drei weitere Bezirke – Prostitution vom Gesetzgeber geduldet. Aufgrund der Dichte an Etablissements scheint sich dieses Wüstenbusiness zu lohnen. Als wir schließlich an der Shady Lady Ranch vorbeifahren, müssen wir lachen, vermeiden aber, unsere Lady näher an ihre Ranch zu lassen. Stattdessen spulen wir weitere Meilen durch das leere Land. Unser heutiges Ziel, den Ort Tonopah, erreichen wir nach 260 Meilen ohne Zwischenfälle, abgesehen von einem fetten Sonnenbrand auf Nacken und Nase vom offenen Fahren. Wir steuern die erste Tankstelle an, um der Lady einen Drink zu gönnen, und sehen von der Zapfsäule aus ein leerstehendes Fastfood-Restaurant. Alles sieht so aus, als wären erst gestern die letzten Mäuler mit Burgern und Pommes gestopft worden. An der Außenwand ist deutlich der Umriss des abgebauten Ms zu sehen. Nie hätten wir gedacht, dass so ein Laden in den USA einmal Pleite gehen kann. Das Licht ist am späten Nachmittag ideal und wir machen Fotos. Der alte Käfer neben einem verlassen Hamburgerladen. Zwei Ikonen ihrer Zeit. Einer davon läuft noch wunderbar.

Nach einer ruhigen Nacht im in die Jahre gekommenen Tonopah Station Casino-Hotel starten wir den Boxermotor und parken aus, als neben uns ein riesiger SUV der Highway Patrol hält. Haben wir etwas falsch gemacht? Nein, der Officer hat unser Papierkennzeichen gesehen und ist einfach neugierig. Sein Office liegt direkt neben dem Hotel. Er mag unser Auto, fragt uns nach unserer Story, die schnell erzählt ist. Er wünscht uns gute Fahrt, aufpassen sollen wir, aufs Auto und auch auf uns. Nur wenige Meter später sehen wir vor einer scheinbar verlassenen Werkstatt ein Käfer-Gerippe. Wir schleichen um das Chassis des alten 1300ers, als ein Auto neben uns hält. Bill ist der Besitzer der Werkstatt. „Can I help you?“, fragt er, bleibt auf Distanz. Als sein Blick auf unsere Lady fällt, sieht man ein leichtes Lächeln auf seinem argwöhnischen Gesicht. Nachdem wir ihm unsere Story geschildert und etwas gefachsimpelt haben, taut er auf: „I want to show you something.“ Er führt uns in seine Garage, räumt ein paar mannshohe Bretter aus dem Weg. Dann stehen wir in seinem Heiligtum. Ein halbes Dutzend abgedeckte amerikanische Klassiker, darunter auch ein Lincoln Continental X-100, das Modell in dem John F. Kennedy ums Leben kam. Den Käfer will er komplett restaurieren, gibt er uns noch auf den Weg mit, als wir uns dankend verabschieden. Ohne unseren Käfer als Eisbrecher hätte uns Bill niemals seine Schätze gezeigt. Viele Wüstenmeilen reden wir noch über Bill, seine Autos, seinen Tipp, in Hemmings Motor News, einem Autoanzeigenblatt, nach Fahrzeugen für den Export zu suchen. Wieder fahren wir durch karge Landschaft, eine Mischung aus endlosen Ebenen und hohen Bergen, Gestrüpp und Felsen. Nur an einer Stelle treffen wir tatsächlich auf Sand, weißen Sand, wenn auch hart, rau und von der Trockenheit aufgebrochen. Und dann tauchen am Horizont schneebedeckte Berge auf. Hinter Hawthorne, Nevada, ändert sich die Landschaft, wir passieren Seen, Weideland, die ersten Bäume seit langem. Wir erreichen Carson City, die Hauptstadt von Nevada am Fuße der Berge der Sierra Nevada. Wir sind wieder in der Zivilisation, genehmigen uns ein eiskaltes Bier im Saloon und machen uns dann auf, über die Berge und den Spooner Summit zum Lake Tahoe und unserem heutigen Etappenziel zu kommen. In den Bergen wird es deutlich kühler und als wir den wunderschönen Bergsee im Licht des Nachmittags erblicken, drehen wir zum ersten Mal den Lüftungshebel des Käfers auf warm. Wenig später fahren wir durch Stateline und seine Casinos. An der nächsten Ampel prangt das Wappen Kaliforniens. Wir sind in South Lake Tahoe angekommen. Direkt an der Grenze checken wir in das Basecamp Hotel ein, im Winter ein Ski- und Snowboardfahrerhotel, gemütlich, ökologisch und ebenso nah am Skilift von Heavenly wie am Seeufer gelegen. Wir genießen den Sonnenuntergang am Wasser und gehen auf einen Burger ins Hard Rock Café des Casinos, das nur wenige Schritte entfernt in Nevada steht. Von der Wüste in die Berge. Vom Sommer in den Spätwinter. Von unserem kalifornischen Hotelzimmer aus leuchtet im letzten Abendlicht das Weiß der Skipiste hinüber.

Der nächste Morgen beginnt mit einem Biofrühstück im Basecamp und einer unerfreulichen Entdeckung. Beim Beladen der Lady sehe ich unter dem Motor eine Ölpfütze. Beim näheren Hinsehen besteht kein Zweifel: sie ist frisch. Felix tippt auf den Temperaturunterschied zwischen Wüste und Berg und bleibt gelassen. Wir fahren am Lake Tahoe entlang, passieren die landwirtschaftliche Kontrollstation des Staates Kalifornien und tauchen tiefer in die Sierra ein. Bald stehen wir mitten im Winter. Was für eine Reise! Wie kleine Kinder tollen wir im Schnee, testen den Heckantrieb des Autos. Wenig später eisen wir uns vom kalten Weiß los, verlassen die Berge, queren den Highway 49, der durch Land des Goldrauschs führt, und erreichen das flache Agrarland rund um die Hauptstadt Sacramento. Auf der monotonen I-80 fahren wir an der Universitätsstadt Davis vorbei und biegen dann in Richtung Sonoma ab. Die Weinregion ist wie ihr Nachbartal Napa für ihren Rebensaft weltberühmt. Es ist Freitag Nachmittag, der Wochenendverkehr schlängelt sich bereits durch die Weinberge. Wir haben eine Verabredung mit Richard von db autosportiv. Der geborene Brite verkauft hauptberuflich Performance-Teile an die Rennserien NASCAR und Indy und leistet sich nebenbei einen Oldtimerverleih für gut betuchte Ausflügler. Als Willkommensgruß steht vor dem Gebäude ein altes Mercedes Cabrio – nur eines von über 15 edlen Fahrzeugen, darunter Ferraris, Jaguars, Porsches und viele amerikanische Klassiker aus den 1950er und 60er Jahren mit Mietpreisen ab US$ 299 pro Tag und aufwärts. Richard führt uns um die Ecke zu einem 1957er Chevy Bel Air. “Hop in!”, lädt er uns ein und tritt kurz darauf aufs Gas. Der tonnenschwere Klassiker schießt nach vorne, der V8 röhrt. Wir werden durch Sonoma chauffiert. Richard zeigt uns die spanische Mission, die alte Hauptstraße, ein Weingut. Als wir an der Schule vorbeifahren, winken uns die Kinder fröhlich zu, rufen Dinge, die wir aufgrund des brüllenden Motors nicht verstehen. Mit 70 Meilen die Stunde heizt Richard über den löchrigen Asphalt, die Federung des Klassikers schluckt alles. Da wir nicht viel Zeit haben, ist die Ausfahrt leider bald vorbei. Richard muss auf einen Termin, wir haben heute ebenfalls noch etwas vor, müssen uns nach einer herzlichen Verabschiedung beeilen.

Der Wochenendverkehr ist stärker geworden. Für wenige Meilen brauchen wir fast eine halbe Stunde, dann kommen wir endlich zur Rennstrecke, dem Sonoma Raceway. Hier wartet bereits Jennifer von Audi Nordamerika auf uns. Und zwei Audi R8. Selbst fahren dürfen wir sie leider nicht, aber wir bekommen eine „hot lap“ mit Profifahrer spendiert. Da wir spät dran sind, wird nicht lange geredet. Helm auf, rein ins Auto und… Vollgas! Mein Chauffeur für die nächsten knapp zwei Minuten heißt Dane und kommt aus Australien. Er ist Rennfahrer von Beruf, entsprechend prügelt er den R8 über die Curbs, findet den idealen (sehr späten!) Bremspunkt vor der Spitzkehre und lächelt beim Beschleunigen auf der Geraden noch nett in die Kamera, die rechte Hand dabei vom Lenkrad und “thumbs up!”. Der Top Speed hier beträgt zwar nur 190 km/h, der R8 würde locker an die 300 laufen. Leider hat die Strecke selbst ein Speed Limit – mag vielleicht daran liegen, dass hier Privatpersonen nach einem entsprechenden Fahrtraining selbst Hand ans Lenkrad legen dürfen. Und viel mehr als 70 mph, also etwa 115 km/h, sind die Amerikaner nun mal nicht gewohnt von ihren Highways… Die Runde ist viel zu schnell vorbei. Noch ein Plausch mit dem Fahrer, dann mit der Dame von Audi und schon sitzen wir wieder im Käfer. Dessen Gestühl bietet deutlich weniger Seitenhalt als die Schalensitze des R8, aber irgendwie fühlen wir uns hier auch ganz wohl. Wir fahren vom Parkplatz, wollen aber von erhöhter Stelle noch ein Foto des Sonoma Raceways machen. Auf einem Parkplatz stehen ein paar Trucks , zwei davon bilden eine Art Boxengasse, in deren Mitte ein paar Renn-Ferraris stehen. Ich frage, ob wir den Käfer kurz dazu stellen dürfen und schon entwickelt sich eine unglaubliche Eigendynamik. Das Mechanikerteam drängt sich teilweise um den Käfer, jeder hat eine Story dazu, Fragen werden gestellt, Antworten gegeben, Fotos geschossen. Die teuren Rennwagen der Ferrari Challenge sind plötzlich völlig uninteressant, der Käfer ist für den Moment der Star. Als wir wieder weiterfahren, sind wir platt. Die zufälligen Treffen, Gespräche und Abenteuer auf dieser Reise sind einfach unglaublich…


Nach einer Nacht direkt an der Pazifikküste bei Bodega Bay, dem Ort, an dem einst Hitchcock seine Vögel fliegen ließ, stellen wir unseren Kompass auf Süden. Noch am Vorabend wurde uns die Ölpfütze unter dem Käfer per Warnlampe zurück in Erinnerung gebracht. Nachdem wir an einer Tankstelle Öl nachgefüllt hatten, zeigte der Ölstab schon nach 30 Meilen wieder nur halben Füllstand an. Wir beten, dass der Käfer mit regelmäßgen Nachfüllen noch die nächsten 500 Meilen nach Los Angeles schafft, denn unser Zeitplan bietet nicht genug Zeit für einen Werkstattaufenthalt. Mit einem starken Kaffee werden die Nerven beruhigt und wir folgen dem Highway. Etwa 60 km nördlich von San Francisco fahren für durch Petaluma. Im Rückspiegel taucht ein älterer, auffällig getunter Käfer auf. Er hält an der nächsten Ampel direkt neben uns. Felix sagt zu mir: “Frag mal, ob er eine Werkstatt kennt”. Zeitgleich reicht mir der junge Fahrer einen Zettel herüber. Eine Käfer-Fanclub-Visitenkarte. “Uberkooled”. Wir rufen hinüber: “Hey, do you know a garage? We have a problem with the car”. “Sure, just follow me.“ Wir folgen. Das war spontan! Wir fahren ein paar Minuten bis in ein Wohngebiet. Der schwarz-rote Käfer knattert und röhrt, da ist richtig Power drin. Er hält, der Fahrer springt heraus. Wir stellen uns erst ein mal vor. Dann unser Anliegen. Matt hört sich unser Problem an. “That’s the valve cover gasket. The most common problem with the beetle.” Aha, Ventildeckeldichtung. “I can fix it. It’ll take 15 minutes”. Gesagt, getan. Matt hebt den Käfer hinten an, legt sich darunter und schraubt den Ventildeckel ab. Die Dichtung bröselt ihm entgegen. Er wechselt sie, sucht sogar noch einen neuen Deckel, da unserer eine Beule hat. “Do you want me to change the other one too?”. Nun ja, sicher ist sicher, oder? Weitere 15 Minuten später haben wir zwei neue Dichtungen und der Käfer läuft wieder. Matt klärt uns auf, dass es auch leicht aus dem Bereich der Zylinder leckt. Aber das sei nicht so schlimm, kann bis Deutschland warten. Uns fällt ein Stein vom Herzen. Matt ist unser Retter in der Not. Was für ein Zufall! Und er will noch nicht einmal Geld für seine Arbeit. Matt ist tatsächlich Mechaniker, wenn auch für Schulbusse. Privat schlägt sein Herz für Käfer und er bastelt jede freie Minute an ihnen. Wir vergessen die Zeit, so viel Spaß macht es, mit ihm zu sprechen. Endlich reißen wir uns los, danken ihm. Er empfiehlt uns noch seine Stammwerkstatt Viking Auto im benachbarten Novato. Dort gibt es auch das ein oder andere Ersatzteil, dass Felix noch brauchen könnte
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Wir können unser Glück wirklich nicht fassen. Was ist gerade passiert? Was war das alles? Woher kam plötzlich dieser Matt? Erleichtert fahren wir nach Novato und besuchen noch Chris und Brian von Viking Auto. Auch dort gibt es den ein oder anderen schönen Käfer zu sehen. Dann geht es endlich weiter Richtung San Francisco, wir überqueren die Golden Gate Bridge, fahren über die Lombard Street und genießen dabei jede Kurve, sehen hinunter auf Alcatraz, hinüber zum Coit Tower, duchqueren den Wolkenkratzerdschungel des Financial Districts. Es ist schönstes Wetter. Die Stadt ist wundervoll. Alles passt, der Käfer schnurrt und meistert die steilen Straßen ohne Probleme. Wir verlassen die Stadt und fahren nach San Jose am Ende der Bay. Von dort ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Campbell. Hier werden wir heute privat übernachten. Ein mehr als ereignisreicher Tag geht zu Ende, als wir mit guten alten Freunden in einem Thai-Restaurant in Saratoga sitzen.

Am nächsten Tag steht die Fahrt nach Santa Barbara auf dem Programm. Da wir den Küsten-Highway #1 nehmen wollen, ist der heutige Tag auch unsere längste Etappe mit dem Käfer. Glücklicherweise macht sich kein Öl mehr außerhalb des Fahrzeugs bemerkbar, daher rechnen wir mit einer reibungslosen Fahrt. Der Highway 17 bringt führt uns in die Santa Cruz Mountains, das Küstengebirge. Am höchsten Punkt biegen wir auf die Summit Road Richtung Süden ab. Es ist Sonntag und der Strandverkehr ist nicht zu unterschätzen, vor allem, weil die Sonne heute ihr Allerbestes gibt. Außer starkem Radler-Verkehr ist die Summit Road ruhig. Hinter dem Summit Store geht es wieder nach Westen auf die San Jose-Soquel Road, eine wunderschöne Landstraße, die bergab durch die Redwoods bis nach Soquel führt, wo wir wieder auf dem Highway 1 treffen. Weiter geht es Richtung Monterey. Ein Obststand am Straßenrand sieht verlockend aus und wir halten an. Nach dem Glanz und Reichtum des Silicon Valley sind wir hier nun im Farmland angekommen, wenn auch nur einige wenige Meilen vom Pazifik entfernt. Frische Melonen, Orangen, Artischocken, Gewürze und vieles mehr werden zum Verkauf angeboten und wir schlagen zu. Dann fahren wir weiter an Monterey vorbei nach Carmel. Der Ort, den einmal „Dirty Harry“ Clint Eastwood als Bürgermeister regierte, hat einen wunderbaren Strand, an dem wir ein weiteres Mal anhalten. Zahlreiche Wochenendler genießen den freien Tag am Pazifik. Was in USA selten ist: Dass Vierbeiner mit und vor allem ohne Leine herumtollen dürfen. Wir beobachten wir das rege Treiben der Zwei- und Vierbeiner und wünschen uns wieder einmal, länger bleiben zu können. Doch der Highway #1 ruft und wir erinnern uns an unsere heutige Mega-Etappe.

Die Strecke zwischen Carmel und Pismo Beach gehört nicht ohne Grund zu einer der schönsten Strecken der Welt. An der Steilküste windet sich die Straße kurvig durch den Fels, Brücken schaffen den Übergang über die vielen Seitentäler, man kommt an Big Sur und dem Hearst Castle vorbei und hat immer wieder die Möglichkeit, an einem der zahlreichen Vista Points anzuhalten und den Ausblick zu genießen. An einem dieser Parkplätze werden wir angesprochen. Was das für ein Papierkennzeichen am Käfer sei. Der Typ, der uns die Frage stellt, heißt Ivan, gebürtig in Montenegro und seit über zehn Jahren in Kalifornien. Er interessiert sich für unsere Story, denn er will im Herbst mit einem Auto von San Francisco nach Buenos Aires fahren und hat dabei auch schon an einen Käfer gedacht. Seine geplante Strecke beträgt um die 18.000 Meilen. Wir raten ihm ab. Nicht dass der Käfer das nicht schaffen könnte, aber es erschwert das Vorhaben. Warum er denn die Tour auf sich nehmen will? Ivan ist Filmemacher und will auf der Fahrt eine Dokumentation über das Glück drehen. „It’s all about happiness. By the way, what does that mean to you guys?”, fragt er uns. Wir sagen ihm, dass wir im Moment tatsächlich sehr glücklich sind. Auf Reisen ist das Glück immer ganz nah. Neugierig bleiben, Neues entdecken, beobachten, erleben, lernen. Frei sein. Das ist Glück. Da Ivan auf seiner Reise Menschen ebendies fragen und das Ganze aufnehmen möchte, zückt er sogleich seine Kamera und bittet uns, unsere Aussage noch einmal zu wiederholen. Danach kommen wir tiefer ins Gespräch. Vielleicht kommt Ivans Geschichte dann auch mal bei uns ins Magazin. Aber wie kann er das alles bewerkstelligen? Geld allein mache ihn nicht glücklich, helfe aber sicher bei seinen Projekten, zum Beispiel bei seiner Website blueturtle.com. Mit seiner Website möchte er etwas bewegen. Für den Planeten. Für die Menschen. Für unsere Zukunft. Wir beschließen, in Kontakt zu bleiben, und wünschen Ivan für den Happiness-Trip alles Gute.

Statt einer Mittagspause holen wir uns in einem Café am Highway 1 einen starken Kaffee und spulen weiter Meilen herunter, bis wir am Elephant Seal Beach halten. Hunderte See-Elefanten liegen hier am Strand. Ob sie hier nur Pause machen oder zur Brautschau hier sind? Keine Ahnung – aber es ist ein imposanter Anblick. Nach unzähligen Fotos steigen wir wieder in den Käfer. Wir wollen vor Santa Barbara noch zur Neverland Ranch, da Los Olivos fast direkt auf dem Weg liegt. Michael Jacksons ehemaliges Zuhause soll dort irgendwo in den Hügeln liegen, allerdings wissen wir auch, dass man die Ranch nicht besichtigen, sondern nur von außen ansehen kann. Da es langsam schon dämmert, legen wir einen Zahn zu und kommen mit dem letzten Licht in das Tal hinter Los Olivos. Das Navi führt uns zu einer Einfahrt mit einem schmucklosen Tor. Kein Haus zu sehen. Wir zweifeln. Als wir genauer hinsehen, finden wir kleine Blumensträuße, auf den Asphalt und die Mauer gemalte Grüße. Das muss es dann wohl doch sein. Die Mauern links und rechts des Tores und ein Podest in der Einfahrt sehen irgendwie auch bekannt aus. Dies ist die Einfahrt zu Neverland. Das Tor wurde nach Jacksons Tod ausgetauscht, die Statue auf besagtem Podest entfernt. Zu viele Fans kamen bereits her, einige wohl bereit, Erinnerungsstücke mitzunehmen. Es wird dunkel, der Vollmond weist uns den Weg zurück nach Los Olivos und von dort geht es letztendlich bis nach Santa Barbara. Wir haben uns im Indigo Boutique Hotel eingemietet. An der Bar trinken wir noch ein Feierabendbier und diskutieren über den King of Pop, den Glücksreisenden Ivan, unsere Tour…. Morgen ist der letzte Tag der Käferfahrt. Wir sind fast am Ende angekommen. Kaum zu glauben. Während der letzten Woche hatten wir oft den Eindruck, schon unendlich lange unterwegs zu sein. Jetzt endet alles plötzlich viel zu schnell. Aber noch haben wir einen Tag. Und die letzte Etappe bis nach Los Angeles…

Es ist warm in Santa Barbara. Unser Hotel ist nur wenige Blocks vom Strand entfernt. Ein frischer Morgenkaffee, den Käfer gepackt, das Öl gecheckt, dann machen wir uns auf zum Meer. Wir gehen auf den Pier der Stearns Wharf, sehen dort den ersten Joggern und Touristen des jungen Tages zu, sprechen mit ein paar Tauchern, die enttäuscht aus dem Wasser unter dem Pier auftauchen. Das Wasser ist zu trüb, zu aufgewühlt. Keine Sicht. Dafür ist der Tag über Wasser umso klarer. Mit offenem Dach fahren wir über Nebenstraßen bis Ventura und weiter Richtung Los Angeles. Zwischen Ventura und Malibu finden wir die Topanga Canyon Road. Die Straße windet sich traumhaft durch das Tal zwischen zwei Bergzügen. Am Straßenrand immer wieder Läden und Häuser, deren Äußeres darauf schließen lässt, dass der Canyon nach wie vor fest in Hippie-Hand ist. Das Ende der Straße endet direkt am Pazifik und am Highway 1. Wir biegen links ab, kurz vor dem Malibu Pier verlassen wir die Küste und fahren Richtung Flughafen. Das Thermometer steht inzwischen auf gut 30 Grad. Heute ist der letzte Tag im Käfer. Wir müssen kurz zum Flughafen und einen Mietwagen holen, dann geht es zu Rinkens, der Spedition, die Shady Lady sicher nach Deutschland bringen soll. Bei einem Autovermieter gleich neben dem Flughafengelände von LAX stelle ich mich in die lange Schlange der wartenden Touristen. Erst jetzt realisiere ich, dass ich gerade zum letzten Mal aus dem Käfer gestiegen bin. In meinem kleinen, fast zu perfekt modernen Mietwagen folge ich Felix auf den Highway. Ich sehe den Käfer zum ersten Mal länger von hinten – in voller Aktion. Er sieht gut aus. Der silberne Lack glänzt in der Sonne. Meine Klimaanlage bläst. Sie ist das Einzige, was ich gerade wirklich genieße. Ansonsten ist mir der Wagen zu neu, hat zu viel Plastik, zu viele Knöpfe, zu viel Elektrik. Nach 45 Minuten kommen wir in einem Industriegebiet an. Das Gebäude der Spedition ist unübersehbar, ebenso wie der große Parkplatz daneben. Zahlreiche alte VW-Busse, amerikanische Pick-ups und Klassiker stehen Spalier. Sie warten alle auf ein Boot, das sie zu ihren neuen Besitzern in Übersee bringen wird. Am Empfang erhalten wir die ersten Anweisungen. Wir haben es gerade so geschafft: Fünf Minuten später und wir wären zu spät gewesen, die Spedition schließt um 17 Uhr. Felix fährt den Käfer auf den Hof, übergibt den Schlüssel. Das war’s dann wohl. Fast. Ray, ein Deutscher, der seit zehn Jahren in L.A. lebt, kümmert sich um den letzten Papierkram, wir fachsimpeln ein wenig über VWs und Autos generell, erzählen von unserem Trip. Ray bietet uns nach getaner, überschaulicher Rest-Bürokratie an, die heiligen Hallen von Rinkens zu besichtigen. Standen draußen noch die etwas älteren Fahrzeuge, reihen sich in der riesigen Halle die wertvolleren Versandstücke. Porsches aller Baujahre, Hot Rods, neue Mustangs und Challenger, ein Defender, einige teure SUVs amerikanischer und deutscher Marken und immer noch mehr wertvolle Sportwagen aus allen Jahrzenten. Eindrucksvoll. All diese Autos werden bald in Europa herumfahren. Vier bis sechs Wochen soll es dauern, bis unser Käfer in Bremen landet und dann per LKW in den Süden der Republik gebracht wird. Nach der Tour über den gigantischen Parkplatz winken wir dem Käfer noch einmal zu. Der Kreis hat sich nun geschlossen. Vor zehn Tagen begann unser Abenteuer hier in Los Angeles und endet nun auch wieder hier. Wir sind ein wenig traurig, dass es vorbei ist. Auf der anderen Seite haben wir so viele Dinge erlebt, interessante Menschen getroffen und massenweise beeindruckende Fahrzeuge gesehen, dass uns die letzten Tage wie Wochen vorkommen. Dieser Roadtrip, der fast ein Jahr zuvor in unseren Köpfen entstand, war die wohl erlebnisreichste Reise, die wir bisher erleben durften.

August. Ein Biergarten in München. Felix hat Freunde und Familie eingeladen, Shady Lady willkommen zu heißen. Sie steht glänzend inmitten der Biertische, geschmückt mit amerikanischen Fähnchen und mit deutschem Kennzeichen. Relativ unproblematisch hatte der Käfer TÜV und Zulassung absolviert. Er ist endlich wieder zuhause. Fast exakt 36 Jahre nach seiner Produktion in Osnabrück bei Karman und der Auslieferung in den USA ist der VW nun wieder in Deutschland.

Informationen Kosten / Spedition:

  • Shady Lady wurde von der Spedition CFR Rinkens sicher von Kalifornien nach Deutschland gebracht. Die Verschiffungskosten ab Los Angeles bis frei Haus Bayern lagen bei rund 1.800,00 Euro inkl. aller Speditionskosten und Gebühren (u.a. abhängig vom Dollarkurs).

  • Wichtige Info: Autos älter als 30 Jahre können als Oldtimer zu einem verringerten Einfuhrumsatzsteuersatz von 7,00% (anstelle 19,00%) und 0% Zoll eingeführt werden.

  • Hilfreich: Der Importkalkulator www.carsfromusa.de

  • CFR Rinkens: www.cfrrinkens.com

Nötige Umbauten am VW Käfer und Zulassung in Deutschland:

  • Standard-Umbaumaßnahme ist die Umrüstung auf H4 Scheinwerfer und das Abknipsen der Positionsleuchten, damit die Blinker nur bei Blinksignal leuchten.

  • Erstellung eines Gutachtens zur Erlangung einer Einzelbetriebserlaubnis gem. §21 StVZO inkl. Fahrzeugbrief und TÜV für 2 Jahre : ca. 190 Euro. Dieses Gutachten – auch genannt Vollabnahme – kann man nur beim TÜV (kein GTÜ, Dekra, etc.) erhalten. Es gibt aber keine Garantie für eine erfolgreiche Vollabnahme – es hilft, sich mit dem Prüfer gut zu verstehen und keine Tatsachen zu verschweigen, denn es gibt leider viele kleingedruckte Vorschriften. Hilfreich bei Shady Lady war auch die Tatsache, dass es sich um einen deutschen Oldtimer handelt.

Kostenbeispiel Import VW Käfer inkl. Transport, aller Reparaturen, Zulassung, etc.: • Kaufpreis ca. 5.500 Euro • Spedition inkl. Gebühren ca. 1.800 Euro • Umrüstung und nötige Reparaturen (inkl. Scheinwerfer, 3-Punktgurte, Querlenker, Dichtungen, Bremsen) ca. 1.700 Euro • Vollabnahme TÜV ca. 190 Euro • Zulassung, Schilder, Papiere ca. 100 Euro Informationen zur Zulassung eines Fahrzeugs in den USA unter www.dmv.org

Nützliche Links für AZ / NV / CA:
 Visit California (deutsche Seite): www.visitcalifornia.de Nevada (englisch): travelnevada.com Arizona (englisch):www.visitarizona.com

RoadTrip dankt Visit California, Sonoma County Tourism, Richard Martin (ehem. db autosportif) sowie Audi of America für die Unterstützung sowie Matt für seine Hilfe bei der Reparatur des Käfers. Ein großer Dank gilt auch Monika, Julian, Cindy, Glen, Ivan, Travis, Ray und Danna für ihre Hilfe bei unserem Vorhaben.

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