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Historisch und hip: Neufundlands bunte Hauptstadt

St. John’s ist die älteste Stadt Nordamerikas, aber alles andere als verschlafen: In der legendären George Street der Hauptstadt von Neufundland und Labrador gibt es mehr Pubs und Bars pro Quadratmeter als in jeder andere Straße Nordamerikas. St. John’s ist mit knapp 110.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt Neufundlands und beheimatet dessen größte Universität mit rund 17.000 Studenten. Ganz nebenbei sei zu erwähnen, dass hier ebenso regelmäßig Eisberge an der Küste vorbeitreiben wie Buckel-, Finn- und Zwergwale.



St. John's © Barrett & MacKay Photo


Wer im Frühjahr oder Frühsommer nach Neufundland fliegt und einen Fensterplatz im Flieger erwischt hat, sieht mit etwas Glück schon im Anflug die ersten riesigen Eisberge vor der Küste treiben: bis zu 12.000 Jahre alte Eisriesen, die mit etwa sieben Kilometern pro Monat aus Grönland antreiben und sich in ihrer vollen, teils meterhohen Pracht – zu der noch 90 weitere Prozent an Eismasse unter Wasser kommen – am besten bei einer Bootstour bestaunen lassen.



So nahe wie Ed Kean, Neufundlands Eisberg-Cowboy, kommen Besucher den Eisriesen dabei allerdings nicht. Eds Job ist es, Eisberge zu jagen und Stücke von den weißen Riesen abzuernten und der Quidi Vidi Brauerei im urigen, Fischerdorf-ähnlichen Stadtteil von St. John’s zu verkaufen. Die Brauerei eröffnete 1996 in einer ehemaligen Fischfabrik und ist stolz auf ihren Verkaufsschlager, das original „Iceberg Beer“ in nachthimmelblauen Flaschen. „Ed fährt im Frühjahr und Sommer jeden Tag 16 Stunden lang zu den Eisbergen raus und erntet so viele Eisstücke wie möglich“, berichtet der Brauerei-Angestellte Les. „Die Eisbrocken werden dann in Bonavista geschmolzen und an uns verkauft.“ Die Brauerei ist nicht ohne Grund heiß auf das Eisbergwasser. Denn in erster Linie ist es das Wasser, das ein Bier ausmacht, und Eisbergwasser ist das sauberste Wasser der Welt! Besonderes Wasser, besonderes Bier, das es in der Quidi Vidi Brauerei direkt an der Quelle gibt. Wem es so lecker schmeckt, dass er sich künftig auch daheim oder beim Onlineversand danach umsehen möchte, wird aber enttäuscht: „Es bleibt nichts für den Export ins Ausland übrig, weil die Neufundländer selbst so viel Bier trinken, 240 Liter Bier pro Kopf jährlich.“ Dafür lässt manch einer als Erinnerung zumindest eine der edel aussehenden Flaschen mitgehen. „Die gehen uns manchmal aus, weil die Leute sie einfach nicht zurückgeben wollen“, lacht Les.


Partys made in St. John‘s

Ein Abstecher nach Quidi Vidi lohnt sich allerdings nicht nur wegen des Eisberg-Biers. Jeden Freitagabend startet im Pub gegenüber eine sogenannte Kitchen Party. „Im atlantischen Kanada feiern die Menschen zusammen Küchenpartys und trinken Bier in der Küche“, erklärt Les. „Unser Event ist die einzige Kitchen Party in einer Brauerei in St. John’s und ab 18 Uhr spielt unsere Band The Brew Crew.“ Die besteht aus sieben Rentnern, doch zur neufundländischen Musik, die irischer Pub-Musik arg ähnelt, rocken neben Freunden der Musiker auch viele Studenten und junge Leute ab. Ist der letzte Ton verklungen, geht die Party in St John’s berühmter George Street weiter.


Ob es tatsächlich keine andere Straße auf dem nordamerikanischen Kontinent gibt, in der sich so viele Pubs und Bars so eng aneinanderschmiegen, ist zwar nicht wirklich bewiesen, aber sicher ist: Die Auswahl an Ausgehmöglichkeiten ist so groß, dass selbst Locals und langjährige Einwohner immer noch eine neue Kneipe in irgendeinem einem Winkel entdecken. Besonders am Wochenende strömen Einheimische und Touristen in die Straße mit ihren bunten Holzhäusern. Pünktlich zum Sonnenuntergang säumen die ersten Hot-Dog-Stände die Straße und ab etwa 22 Uhr geht die Party los – mit Livemusik, bei der lokale Bands den letzten Schrei an Akkordeon- und Fiddelmusik zum Besten geben oder sich die Lautsprecheranlagen mit angesagten internationalen Beats übertönen. Wer und was spielt ist egal, denn in St. John’s wird jede Art von Musik mit Glücksschreien, Stampfen und schwingenden Hüften aufgenommen. Und das Beste: Im Gegensatz zu vielen anderen Orten in Kanada bleiben die Bars in St. John’s bis drei Uhr in der Früh geöffnet. Daneben gibt es immer wieder legendäre George Street Events: Dann wird die gesamte Straße gesperrt und Partygänger dürfen für 15 Dollar in jeder beliebigen Bar oder vor der Live-Bühne die Nacht durchtanzen. Ein echter Hit ist Faschingsdienstag, der allerdings in St. John’s etwas später als anderswo in der Welt gefeiert wird, nämlich Ende Oktober, wenn sich die Stadt in Halloween-Outfits wirft und Prämien für die besten Kostüme vergeben werden. Der jährliche Party-Höhepunkt ist das George Street Festival Ende Juli – eine Woche gibt es dann lang geöffnete Bars, Livebands auf den Straßen, eine echte Kitchen Party und jede Menge Eisberg- und anderes Bier.

St. John's © Barrett & MacKay Photo


Über den Dächern der Stadt

Wer in St. John’s aktiv sein will, tut es den Locals gleich und geht am Signal Hill joggen. Der weithin sichtbare Hügel mit dem Cabot Tower, einem Turm, der 1897 zum 400. Jahrestag der Entdeckung Neufundlands durch John Cabot errichtet wurde, ist St. John’s Wahrzeichen. Aus gutem Grund, denn dort empfing Guglielmo Marconi 1901 das erste transatlantische Radiosignal. Aber nicht nur das macht Neufundlands Hauptstadt so besonders. Wer oben auf dem Aussichtspunkt steht, hoch überm Atlantik, die Kulisse bunter Holzhäuser im Rücken, der kann sich lebhaft vorstellen, wie dort im Jahr 1919 ein Flieger mit John Alcock und Arthur Whitten Brown an Bord abhob, um den ersten erfolgreichen Nonstop-Flug über den Atlantik zu absolvieren. Darüber erfahren die Besucher des Turms zwar nichts, dafür gibt es aber eine interessante Ausstellung zur Geschichte des Cabot Towers sowie über Marconi und dessen Funkstation.

Cape Spear Lighthouse © Eric Hanson


Vom Turm aus führt der N Head Trail hinab nach The Battery, einem weiteren Ortsteil von St. John’s am Hafeneingang, der wie aus einer Postkarte mit Dorfidyllen-Motiv geschnitten scheint. Ein strategisch wichtiger Ort, denn von dort, wo sich heute Katzen und Hunde in der Sonne räkeln und Fischernetze zum Trocknen ausliegen, wurde die Stadt während beider Weltkriege verteidigt. Wer mag, wandert von der gegenüberliegenden Hafenseite aus auf dem East Coast Trail weiter bis nach Cape Spear, zum östlichsten Punkt Nordamerikas mit seinen beiden Leuchttürmen, darunter auch der zweitälteste in Neufundland von 1836. Der Blick reicht weit über den Atlantik, wo immer mal wieder ein Wal seinen Rücken und eine Schwanzflosse blicken lässt oder ein Eisberg in der Sonne schmilzt.


Viele weitere Informationen und Details zu St. John's finden Sie hier.


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